Über 5 Tonnen. Das ist die Menge an Müll, die The Ocean Project Seychelles (TOP) 2018 zusammen mit 1.300 Teilnehmern bei ihren 36 Beach Clean Ups an den Stränden der Seychellen sammelte. Plastikflaschen, Strohhalme, Angelschnuren, Fischerzubehör, Flipflops und Zigarettenstummel werden zu abertausenden angespült oder manchmal leider auch durch umweltUNfreundliche Menschen einfach am Strand zurückgelassen.
Vom 18. bis 31. März stand das erste Beach Clean Up der Äußeren Inseln und Atolle an – auch Outer Islands genannt. Hunderte Kilometer von den Hauptinseln entfernt, standen die Organisatoren nicht nur vor der Herausforderung, die Teilnehmer dorthin zu bringen und vernünftig unterzubringen, sondern auch den Müll anschließend nach Mahé abtransportieren zu lassen.
Über die kurzfristige Einladung zur Teilnahme habe ich mich riesig gefreut, allerdings war ich zu dieser Zeit für meinen Buchdruck in Deutschland und konnte leider nicht teilnehmen. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie traurig ich darüber war. Dafür werden an dieser Stelle meine Freunde Diana von der Seychelles Sustainable Tourism Foundation (SSTF) und Ben von WiseOceans ihre Erfahrung teilen, denn die beiden waren mit ihrem Team auf Astove unterwegs.
#seychellesouterislandscleanup
#1 | Liebe Diana, lieber Ben. Bitte stellt euch kurz vor.
Ben: Hi, ich bin Ben, Meeresbiologe aus England und arbeite hier auf den Seychellen als „Education & Outreach Manager“ bei WiseOceans. Die Meeresschutzorganisation ist weltweit tätig und hat ihren Sitz auf Mahé an der Petite Anse beim Four Seasons Resort.
Diana: Hi, ich bin Diana, komme ursprünglich aus Deutschland und arbeite als Beraterin für nachhaltigen Tourismus und bin Mitbegründerin der Seychelles Sustainable Tourism Foundation.
Wir leben seit drei Jahren auf Mahé.
#2 | Wie ist das Beach Clean Up der Outer Islands zustande gekommen?
Diana: Die Islands Development Company (IDC), die die Outer Islands betreut, hat das Projekt ins Leben gerufen und dafür eine Partnerschaft mit The Ocean Project Seychelles (TOP) geschlossen, einer lokalen NGO mit der Message „Stop and Switch“, die sich gegen Meeresverschmutzung einsetzt. Sie organisieren regelmäßige Beach Clean Ups auf den Inneren Inseln sowie Sensibilisierungskampagnen, wie zuletzt „The Last Straw“.
IDC hat die Logistik übernommen und TOP die Methodik für die Clean Ups und Datenerhebung entwickelt. Es wurden knapp 40 Freiwillige aus dem IDC- und TOP-Netzwerk zusammengerufen, darunter Leute aus dem Conservation Bereich, aber auch Ärzte, und auf sieben der Outer Islands verteilt: Astove, Alphonse, Farquhar, Desroches, Remire, Coetivy und Platte.
#3 | Ankunft auf Astove: Wie war euer erster Eindruck?
Diana: Wir waren bei unserer Ankunft total überwältigt. Allein der Hinflug, bei dem wir das Glück hatten auf drei anderen Outer Islands zwischenzulanden (Alphonse, Providence und Farquhar), war unbeschreiblich schön. Aus dem Fenster haben wir die Korallenriffe und die unglaublichen Farben bestaunt und bereits unzählige Schildkröten gesehen. Auf Astove wurden wir total herzlich vom IDC Team mit eisgekühltem Kokosnusswasser empfangen und haben uns dann gleich auf eine Erkundungstour der Insel begeben.
Wenn man auf den Seychellen lebt, sind die Outer Islands der Ort, von dem wir alle träumen, wo es noch wahre, zum Teil unberührte, Naturparadiese und Biodiversität gibt. Diese Orte zu entdecken war für uns ein unglaubliches Privileg. Vom ersten Eindruck her wirkte die Insel wie ein Paradies, aber als wir die Strände betreten haben war das Müllproblem sofort eindeutig.
#4 | Wie verlief das Beach Clean Up genau ab?
Diana: Wir haben täglich morgens (von 7 bis 11 Uhr) und nachmittags (von 15:30 bis 18 Uhr) Beach Clean Ups an verschiedenen Stränden und in der Lagune auf Astove durchgeführt. An den Stränden haben wir 30 Meter lange „Transekts” verlegt. Das ist eine Methodik aus der Geologie, um Daten standardisiert und in einem räumlichen Zusammenhang zu erheben. Diese 30 Meter lange Strecke wurde jeweils von zwei Personen gesäubert.
Unser Team bestand – auch je nach Verfügbarkeit der Teams vor Ort – aus 7 bis 9 Leuten. Neben Ben und mir war noch ein Arzt sowie zwei Soldaten vom Militär und das IDC-Insel-Team dabei. Wir haben parallel zur Säuberung auch die Daten der Strände (Koordinaten, Beschreibung der Strandbeschaffenheit, Gezeiten, Wind etc.) aufgenommen. Zwischen den beiden Cleanups brachten wir den Müll zu einer Sammelstelle. Dort haben wir ihn gewogen, kategorisiert (Plastik, Glas, Metall etc.) und gezählt. Besonders beim Plastik gab es genauere Spezifizierungen und Identifizierungen, also zwischen Flipflops, Plastikflaschen, weiches Plastik, hartes Plastik usw.
Der Müll wird in den nächsten Wochen von den Outer Islands abgeholt und auf Mahé entsorgt, einige Kategorien wie Flipflops werden zum Beispiel für ein Kunstprojekt verwendet.
#5 | Es scheint, dass auf den Äußeren Inseln wesentlich mehr Müll angespült wird als auf den Hauptinseln. Woran liegt das?
Ben: Die genauen Gründe kenne ich leider nicht, aber die Äußeren Inseln haben nicht die gleichen Reinigungsmaßnahmen wie die Inneren Inseln, auf denen einige Strände fast täglich gereinigt werden. Hier sind auch die Öffentlichkeit, Hotels und Touristen an Clean Ups beteiligt, wodurch es generell schon mal etwas sauberer ist. Einige der Äußeren Inseln wurden bei diesem Projekt zum ersten Mal gereinigt. Außerdem gibt es dort, also abseits des sogenannten „Mahe Plateaus”, auf dem sich die Hauptinseln und viele weitere befinden, Strömungen, die genauer untersucht werden müssten, da sie auch einen Einfluss haben könnten.
#6 | Was habt ihr am meisten gefunden?
Ben: Insgesamt haben wir in unserer Zeit auf Astove 2 Tonnen Müll gesammelt, darunter sehr viele Flipflops, Plastikflaschen und Plastikteilchen. Flipflops treiben immer oben auf der Meeresoberfläche, wodurch sie relativ leicht angespült werden. Und auch am Strand liegen sie immer oberhalb des Sandes, was sie schnell auffindbar macht. Außerdem fanden wir riesige Seile, Netze, Bojen und FADs, also Fischsammler (engl. Fish Aggregation Devices).
“Fischsammler sind künstliche, schwimmende Plattformen, die von den Fischereiflotten auf der Meeresoberfläche ausgebracht werden. Thunfische werden von den FADs instinktiv angezogen, aber auch Schildkröten und Haie, die im Schatten der treibenden Gegenstände Schutz suchen, und nicht zuletzt junge Großaugen- und Gelbflossen-Thunfische. So sammeln sich zahlreiche Meerestiere unter den FADs an. Sie alle enden in den großen Ringwaden, die die Fischereiboote um die FADs herum ausbreiten und schließlich zusammenziehen. Gerade junge Großaugen- oder Gelbflossenthunfische sind für den Erhalt ihrer überfischten Bestände elementar.” – Greenpeace (Mehr zu den Fangmethoden lesen)
Flipflops sind leider nur die Spitze des Eisbergs, denn diese konnten wir in den oberen Lagen der Strände finden. Viele schwerere Teile, wie z.B. aus Metall, sind viel tiefer im Sand vergraben und nicht sofort sichtbar.
Außerdem fanden wir besonders in der Lagune viele Zahnbürsten und Feuerzeuge und unzählige Glasflaschen eines asiatischen Energiedrinks.
#7 | Was bedeutet das? Was kann jeder Einzelne von uns tun?
Uns ist wirklich vor Augen geführt worden, dass dies ein globales Problem ist. Auch wenn wir zum Teil die Herkunft einiger Teile anhand der Barcodes identifizieren konnten – viele Teile kamen aus Indonesien –, ist es ein Problem, das uns alle angeht, denn Plastikmüll ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit.
„Es geht erst einmal darum, uns klarzumachen, dass wir alle Teil des Problems und der Lösung sind.”
Wir müssen unser Konsumverhalten radikal ändern und im täglichen Leben versuchen unseren Plastikverbrauch, insbesondere Einwegplastik, massiv zu reduzieren. Viele deiner Leser, Simone, sind ja aus Deutschland, wo es inzwischen viele fortschrittliche Bewegungen für einen Zero Waste und einen Lebensstil ohne Plastik gibt, denen man sich anschließen kann und den wir stärken müssen. Dann muss Druck auf die Regierungen und die großen multinationalen Unternehmen ausgeübt werden, die weiterhin Massenproduktion von Plastik betreiben und kein ausreichendes Recyclingnetz haben. Wir als Einzelpersonen können da durchaus Einfluss haben, indem wir zum Beispiel auch Petitionen unterstützen und an Demonstrationen teilnehmen. Das Beispiel von Greta Thunberg zeigt und inspiriert uns ja gerade, dass dies möglich ist.
#8 | Glaubt ihr, ihr habt mit dem Beach Clean Up etwas bewegt? Wie schätzt ihr die Situation auf den Seychellen ein?
Ben: Wenn ich auf unseren Beach Clean Up zurückblicke, wird mir bewusst, wie viel wir in kürzester Zeit mit einem motiviertem Team sammeln konnten. Das macht mich sehr stolz. Dennoch hatten wir nur begrenzte Kapazitäten und konnten leider nicht alle Strände von Astove erreichen bzw. reinigen.
Diana: Oft sind wir einen Tag später an zuvor gereinigte Strände gekommen und es wurden schon wieder Flipflops und Plastikflaschen angespült. Trotzdem sind wir sehr zuversichtlich, denn es ist gerade eine Bewegung im Gange, zusammen mit dem Aldabra Cleanup, berichten viele Medien von der Problematik und viele Seychellois sind beunruhigt oder wollen sich beteiligen. Zumindest haben wir jetzt ein erstes Verständnis der Situation auf den Outer Islands und können auf Grundlage der erhobenen Daten weitere Aktionen in der Zukunft planen.
#9 | Was hat euch bei diesem Projekt am meisten beeindruckt?
Ben: Was so ein kleines Team in kurzer Zeit für tolle Resultate erzielen kann!
Diana: Die positive Energie und der Optimismus, die dieses Beach Clean Up umgeben haben, waren sehr motivierend. Es zeigt, dass man mit den richtigen Leuten Spaß an der Sache haben kann und dass wir gemeinsam viel erreichen können.
#10 | Wie können Urlauber den Seychellen helfen?
Diana: Urlaubern sollte bewusst sein, dass die Seychellen als ein kleiner Inselstaat nur ein sehr begrenztes Recyclingsystem haben. Als Urlauber sollte ich mir über meinen Plastikverbrauch im Klaren sein und dass im schlimmsten Fall Teile meines Mülls im Meer landen können.
Ich trinke zum Beispiel seit Jahren das Leitungswasser hier auf Mahé und verzichte damit konsequent auf Plastikflaschen. Als Urlauber sollte ich eine wiederverwendbare Tragetasche im Gepäck haben, auf Strohhalme verzichten und idealerweise eigenes Besteck für den beliebten Takeaway mitnehmen. Ich empfehle leere Verpackungen von Sonnencremes, After Sun, Duschgel und Shampoo wieder mit nach Europa zu nehmen und dort entsprechend zu entsorgen.
Auch sollte man den Dialog mit Einheimischen vor Ort aufnehmen und zum Beispiel im Gästehaus einfach mal nachfragen, was mit dem Müll passiert und aktiv darauf hinweisen, wenn man eine Verschmutzung sieht. Es gibt auch die Greenline, das ist eine Telefonnummer der Ministry of Environment, Energy and Climate Change, die für jegliche Umweltbeschwerden rund um die Uhr erreichbar ist.
Greenline: +248 2722111
Ben: Wenn möglich sollten Urlauber lokale Produkte kaufen, die oft mit weniger Verpackung beim Transport auskommen. Wer Müll am Strand sieht, kann ihn auch einfach mal aufheben oder daraus eine Urlaubsaktivität für die ganze Familie machen. Wer das dann auf Social Media teilt, erregt Aufmerksamkeit und bringt ganz sicher einige zum Nachdenken.
Dankeschön, Diana & Ben!
PS: Ihr findet Diana auf Instagram (@diana_seychelles) und Ben auf Twitter (@bentaylor114).
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Alle Fotos sind von Diana.
1 Kommentar
Hey Simone! Ich danke dir für solche Aktionen – es ist einfach immer wieder großartig Menschen zu sehen, die sich für unseren Planeten einsetzen. Auch die Bilder sind einfach großartig und positiv. Danke für die zusätzliche Motivation und beste Grüße, Christoph