Ein Auszug aus dem Buch von Heike Mallad „Seychellen – eine Anleitung zum Inselglück“.
Mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
Seychellen inselglück
Auf La Digue ist immer Samstagnachmittag
Wenn man von der Seeseite im kleinen Hafen von La Digue ankommt, beginnt der immerwährende Samstagnachmittag. Schon das Wasser, das an die Mole platscht, ist träge und trägt einen anderen Rhythmus in den Wellen. Die Farben, in denen das kleine Inselchen angemalt ist, sind eindringlicher und intensiver und entspannender; ein bisschen mehr vom Türkis im Meer, ein helleres Blau im Himmel, ein saftigeres Grün in den Palmen, ein felsigeres Grau in den Felsen… das Bild bleibt im Auge stehen und löst sich nicht von seinem Betrachter.
Wir gehen – nein, wir schlendern – über die kleine Landungsbrücke, wenden uns nach rechts und biegen dann nach kurzem Schritt links ins Innere der Insel nach La Passe ab. Musikfetzen, leise Sega-Takte dringen durch das Palmendunkel. Hühner scharren im Laub der Boudamier-Bäume und wirbeln gemeinsam mit den kratzenden Besen aus Kokosreisig Staub auf, der mit den einfallenden Sonnenstrahlen einen Vorhang aus Ruhe und Bedächtigkeit webt.
Die Menschen auf La Digue wirken auf uns nett und gelassen. Flink radeln sie an uns vorüber oder laufen in Gruppen am Straßenrand vorbei. Kaum einer, der nicht grüßt, der uns nicht anlächelt. Wir wundern uns über diese derart auffällige menschenfreundliche Offenheit. Kann es sein, dass die ca. 2.000 Einwohner von La Digue deswegen so freundlich sind, weil sie sich alle untereinander kennen? Oder ist die Ursache darin zu finden, dass auf diesem kleinen Inselchen keiner dem anderen aus dem Wege gehen kann?
Wir sind eingelullt in eine natürliche Langsamkeit, die die Zahl unserer Herzschläge, die Wahl unserer Schritte bestimmt. Mir fällt plötzlich die entsprechende Vokabel aus dem Lateinunterricht ein, die diese Stimmung beschreibt und die hier im dunkelgrünen Zuhause der Inselbewohner wohnt: serenus – heiter.
La Digue und seine Stimmung erinnern mich an meine Kindheit und den eigenartigen Zauber der Samstagnachmittage: Die Samstage waren immer zweigeteilt, dem Vormittag gehörte eine geschäftige Betriebsamkeit, es wurde eingekauft, sauber gemacht, im Garten gejätet und im Haus renoviert. Das Mittagessen gab es spät. Kurz danach – noch vor dem sehr katholisch klingenden Drei-Uhr-Läuten, das eindringlich an den Sonntag erinnert – wurde »die Gasse gekehrt«, ein Ritual, das mit der Hektik der restlichen Woche abschloss und den Samstagnachmittag brachte. Dann wurden die Bewegungen langsamer, die Geräusche leiser, die Gesichtszüge heiterer.
Und all dies begegnet uns auf La Digue. Selbst die Ruhe ist langsamer, die sich besänftigend auf Schritt- und Herzfrequenz legt. Unsere Körper füllen sich mit warmem, gebrochenem Licht, das aus schwingenden Palmenblättern fällt. Vom nahen Strand schimmern glitzernde Wasserdiamanten.
In der Island Lodge wartet jenseits der Poolbar ein Terrassenbaum als natürlicher Sonnenschirm und eine zeigerlose innere Uhr auf uns. Hier lassen wir uns nieder und lauschen den Mittagsgeräuschen von La Digue.
Da tuckert ein Fischerboot.
Da gurrt ein Sperbertäubchen.
Da zirpt eine Zikade.
Da erzählen sich zwei Kreolinnen den neuesten Inselklatsch, kichern erst, glucksen dann und lachen sich anschließend die Seele aus dem Leib.
Da ist das Tschilp-Tschalp roter Kardinalspatzen und grauer Sperlinge, die an unserem Mittagessen teilhaben wollen und nach den Krumen unseres Weißbrots haschen.
Der kalte südafrikanische Weißwein in einem Eiskühler aus Bambus lässt die Gläser beschlagen. Ein zitroniger Oktopus-Salat erfrischt uns. Wir genießen, lecken unsere Finger schweigend und unsere Blicke fließen ins Meer, um an der bergigen Silhouette von Mahé Halt zu finden.
Wir haben die Fahrräder genommen und sind zur Silberquelle – der weltweit einzigartigen Anse Source d’Argent – aufgebrochen. Unweigerlich nehmen unsere Pedale den Takt der Insel auf. Wir fahren nicht schneller, wir fahren nicht langsamer als die übrigen Verkehrsteilnehmer auf La Digue. Mit Ausnahme einiger Autos, die mit Getöse und Imponiergehabe an uns vorbeibrausen. Unser Weg führt uns über ein kleines Straßennetz, mal mehr, mal weniger gut ausgebaut. Alte Anwesen grüßen uns ebenso wie kleine neue Häuschen. Neben der Kirche liegt die Schule – gerade ist Pause. Kreischend toben die Kinder in ihren adretten Uniformen über die Wiesen. Die Jungen spielen Ball. Sie trainieren, denn irgendwann wollen auch sie Fußballspieler in einem der acht Erst-Ligisten-Vereine sein, die allein auf La Digue gegeneinander wetteifern. – Ein Ball fliegt über den Zaun. Wir steigen vom Rad ab und kicken ihn zurück. Gejohle und Geschreie und ein zugerufenes dreisprachiges Danke: Mersi! Thank you! Merci!
Wir radeln weiter.
Dann wird es ruhiger.
Wir passieren einige Ochsenkarren, die trotz der vermehrt anzutreffenden Kraftfahrzeuge immer noch die heimlichen Herrscher der Sträßchen von La Digue sind. Schnaufend, ächzend, ein wenig sabbernd und stinkend schaukeln sie an uns oder wir an ihnen vorbei, und sie lassen uns unweigerlich ihren Trott beim Treten in die Pedale annehmen.
Im seichten Wasser, das sich aus einem tiefblauen Spiegel in ein wellenweißes Band am Riff verwandelt und dann in ein schillerndes Türkis übergeht, werden die Sekunden zu Stunden.
Nach dieser Wassertherapie betten wir unsere prickelnden Körper in die schützende Hand eines hohen Granitfelsens, der mit seinen Steinfingern aus dem Sand der Anse Source d’Argent lugt – das Gesicht in den Wind und den Himmel, wo unsere Gedanken längst mit den flinken weißen Wölkchen davon getrieben sind. Der Stein ist warm und spendet Schutz und Energie, um die körpereigene Batterie wieder aufzuladen. Einige Meter über dem Meeresspiegel liegen wir auf einer Insel inmitten einer Insel. Keiner sieht uns, und wir sehen nur das, was wir sehen wollen.
Wie lang doch ein Tag sein kann, wenn er nach Samstagnachmittag schmeckt.
Bei der Rückkehr aus L’Union Estate wieder ein Ochse.
Er zieht langsam seine Kreise an der Ölmühle, immer wieder, ohne Anfang, ohne Ende. Ein lebendes Perpetuum mobile. Keiner ist da, der ihn antreibt. Warum auch? Wenn der Ochse beschließt, sich auszuruhen, dann tut er es einfach. Kopra und Kokosnüsse können warten. Und wir plötzlich auch.
Über das Buch
Das Paradies hat endlose Sandstrände, glitzernde Wellen und sanft gebogene Palmen. Das alles gibt es auf den Seychellen, mitten in der türkisfarbenen Weite des Indischen Ozeans. Doch zum perfekten Inselglück braucht man als nur glasklares Wasser und Sonnenschein. Ein Lesebuch nicht nur für Seychellen-Urlauber, sondern für alle, die sich im grauen Alltag nach Abwechslung sehnen, hin und wieder in Gedanken oder auf der Landkarte reisen und sich für Land und Leute, fremde Kultur und Natur begeistern können. Heitere, beschauliche, aber auch nachdenkliche Episoden räumen mit den gängigsten Klischees einer heilen Topenwelt auf. Sie möchten dazu anregen, dass Leser und Besucher hinter die Kulissen des vordergründigen Inselidylls schauen und Glück im wahrsten Sinne des Wortes erfahren: durch die Schärfung der Sinne, durch die Beobachtung der Natur, durch Begegnungen mit Menschen.
Über die Autorin
Heike Mallad, geboren 1966, hat ihre Kindheit und Schulzeit im unterfränkischen Klingenberg am Main verbracht. An der Bamberger Universität legte sie das Examen im Magister-Studiengang in den Fächern Germanistik, Romanistik/ Französisch und Volkswirtschaftslehre ab.
Bereits während ihrer Studienzeit arbeitete sie als studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Romanische Sprachwissenschaft und war dort u.a. in die Erforschung der kreolischen Sprache – insbesondere der Seychellen – involviert. Vor allem erhielt sie zahlreiche Einblicke in die Wörterbuch-Arbeit von Prof. Dr. Annegret Bollée.
Nach Abschluss ihres Studiums absolvierte Heike Mallad ein Volontariat beim Norddeutschen Rundfunk. Seit 1993 leitet sie die Öffentlichkeitsarbeit der Forschungsstelle Automobilwirtschaft FAW in Bamberg und seit 1996 den zugehörigen FAW-Verlag. 2002 promovierte sie an der TU Chemnitz zum Thema „Kfz-Händlerzufriedenheit“. Die Niederschrift ihrer Dissertation entstand größtenteils in tropischer Abgeschiedenheit auf den Seychellen, wo sie seit 1998 regelmäßig mehrere Monate im Jahr im Südwesten Mahés verbringt.
Hier geht’s zum Buch “Seychellen – eine Anleitung zum Inselglück”
Übrigens: Heike hat vor kurzem auch ein neues Buch veröffentlicht: Ein ganzes Jahr Seychellen. Ich habe es zwar noch nicht gelesen, aber es wartet schon sehnsüchtig zuhause darauf, mir wunderschöne Sonnenuntergangsmomente in meiner Hängematte zu bescheren.
Vielen lieben Dank, liebe Heike.
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4 Kommentare
Hallo Simone, wir sind jetzt das 3.x auf La Digue und sind ganz (positiv) verwundert, dass der Autoverkehr sehr abgenommen hat. In den letzten 2 Jahren sind die Taxis hin und hergeflitzt und heuer sieht man zum Glück nur sehr selten Taxis. Hat sich was an den gesetzlichen Bestimmungen geändert oder woher kommt dieser positive Trend?
Lg, Karin
Hi Karin,
also das ist mir jetzt noch nicht aufgefallen. Es gibt auf jeden Fall keine neuen gesetzlichen Bestimmungen oder so. Vielleicht ward ihr in einer ruhigen Zeit da und es war einfach nicht viel Verkehr, weil eventuell auch weniger Urlauber da waren oder so.
Liebe Grüße,
Simone
Hallo Simone,
gibt es am Flughafen von Mahe Moneychanger oder nur Geldautomaten?
Gibt es auf La Digue Möglichkeiten, Geld zu tauschen?
Vielen Dank für Deine Hilfe und beste Grüße!!!
Michael
Hi Michael,
ja, gibt es beides, also Geldwechsler und Automaten.
LG Simone